Die Auswirkungen von Taiji und QiGong sind messbar
PRO (ohne Einschänkung)
Von einem Taiji- oder einem Qigong Training können so starke System- und Lerneffekte ausgehen, die die Entwicklung des ganzen Menschen betreffen. Und die Prozesse der körperlichen und psychischen Weiterentwicklung gleichermaßen günstig beeinflussen. Hier ist, vorwiegend im Austausch mit anderen Menschen, eine Verhaltensmodifikation möglich, weil Körper und Bewusstsein ungetrennt angesprochen werden. Das Umlernen ungünstiger Reaktionsmuster und Haltungen kann sich direkt und indirekt günstig auf gesunde Entwicklungen, sowohl im sozialen Feld als auch in der körperlichen Gesundheit, auswirken.
In der Zeitschrift British Medical Journal wurde eine Untersuchung zur Wirkung von Taiji publiziert. (Wang 2018) Die untersuchten Personen litten an einer komplexen Erkrankung. Der eine Störung des Immunsystems zugrunde liegt: Fibromyalgie. Neuronale Störungen der Immunfunktion (besonders ein Übermaß an Stress), ein ungünstiges Zusammenspiel mit dem Mikrobiom des Darmes, Fehlfunktionen nach Infektionen oder Schadstoffeinwirkungen und Störungen des Bewegungsapparates und der Schmerz-Verarbeitung gelten als Auslöser. Spezifische medikamentöse Behandlungen sind dabei in der Regel wenig wirksam. Fibromyalgie gilt als eine Vorstufe rheumatischer Erkrankungen und könnte als Übererregbarkeit des Immunsystems aufgefasst werden. Das Ergebnis der Studie zeigte (Zitat): „Taiji Geist-Körper-Training führt bei Patienten mit Fibromyalgie zu einer ähnlichen oder größeren Verbesserung der Symptome als aerobisches Training. Längere Dauer des Taiji zeigte größere Verbesserungen und kann als therapeutische Option in der multidisziplinären Behandlung angesehen werden.“ (frei übersetzt, Wang 2018). Zu gleichen Ergebnissen kam bereits eine frühere Studie bei Patient:innen, die an Parkinson litten. (Li 2012, Huston 2016, Solloway 2016)
Die Studien von Wang u. a. zeigen, dass die Zugangsformen QiGong und Taiji in den Händen geeigneter Lehrer:innen Systemerkrankungen günstig beeinflussen können und in einigen Bereichen anderen Methoden überlegen sein könnten. Möglicherweise, weil Achtsamkeit und entspannte Bewegung gleichermaßen trainiert werden. Diese Zusammenhänge erwiesen sich auch bei der Anwendung ähnlicher Ansätze als wirksam. (Bravo 2018, Hollinghorst 2008, Little 2008) Die besondere Qualität von Qi Gong und Taiji könnte darin begründet sein, dass körperliches, psychisches Erleben, Erfahren und Lernen des gesamten Menschen stimuliert werden (Leung 2021)
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Literatur:
- Bravo C.: Basic Body Awareness Therapy in patients suffering from fibromyalgia. in Physiotherapy Theory aud Practice 2018, 3 1-11
- Hollinghurst et al: Randomised controlled trial of Alexander technique lessons, exercise, and massage (ATEAM) for chronic and recurrent back pain: economic evaluaon. BMJ 2008;337:a2656
- Huston P: Health benefits of tai chi: What is the evidence? Can Fam Physician 2016 Nov;62(11):881-890.
- Leung KW et al: Mind-Body Health Benefits of Traditional Chinese Qigong on Women: A Systematic Review of Randomized Controlled Trials. Evidence based Complementary and Alt. Med 2021, article 7443498
- Li F. et al.: Tai Chi and Postural Stability in Patients with Parkinson‘s Disease. The New England Journal of Med. 2012
- Little et al: Randomised controlled trial of Alexander technique lessons, exercise, and massage (ATEAM) for chronic and recurrent back pain, BMJ 2008; 337:a884
- Solloway M et al. An evidence map of the effect of Tai Chi on health outcomes. Systematic Reviews 2016. (5) article 126
- Wang C. Effect of tai chi versus aerobic exercise for fibromyalgia: comparative effectiveness randomized controlled trial. BMJ 2018, 360:k85
Jitsi Onlinemeeting: Austausch zum Thema mit Helmut und den Mitgliedern der Tee-Stube am 26.03 von 14:30 bis 16:00 Uhr. Anmeldung bitte formlos an a.beil@ddqt.de senden. Ihr bekommt am Tag zuvor den Link zugesendet.
Wir freuen uns auf einen Tee mit euch!
ChristianAuerbach schrieb am 20.02.2025: „hier schon mal ein diskussionsbeitrag zum wert der messbarkeit …“ und verwiese auch eine nachricht von von Y. Oyster aus Spanien:
„Um zu“: stell dir vor, du lernst jemanden kennen und es stellt sich im Laufe des Gespräches heraus, dass diese Person Musik macht. Würdest du dann fragen, wozu er Musik macht? Würdest du nicht eher fragen, welche Art von Musik, welches Instrument? Wenn ich erzähle, dass ich Taiji Quan und Qigong mache, dann geht es immer um das wozu. Ich habe mich dem schon längst angepasst und rede dann auch von Entspannung, Gesundheit, innerer Stabilität und so weiter. Ihr kennt das ja alle. Tatsächlich mache ich das aber nicht um zu, sondern einfach, weil es mir Freude macht, weil ich es gerne mache, weil ich mich dabei wohl fühle. All das andere, was meist in den Vordergrund gerückt wird, sind im Grunde für mich nur Nebenwirkungen. Positive Nebenwirkungen, die man teilweise mit Singen im Chor oder Gartenarbeit auch erzielen kann.
Die wahre Bedeutung der Inneren Künste liegt nicht im “um zu”. Man kann sie erkennen, aber nicht beschreiben. Sie wandert von Herz zu Herz, wenn der Geist ruhig ist, wenn das Verlangen gelöscht ist. So lange du fragst, gibt es keine Antwort.
Die Fähigkeit seinen Gegner zu vernichten, ist unbedeutend. Die Fähigkeit Krankheiten zu heilen ist unbedeutend.
Das Qi zu leiten und zu führen, im Inneren wie im Äußeren, ist unbedeutend.
Dies alles ist nur die Oberfläche des Dao. Es sind keine Wege zur höheren Kultivierung, sondern nur eine kleine Tür.
Doch diese Tür kann ein Zugang sein zur Inneren Alchemie.
Benutze sie.
Lieber Christian, jede Kunst kannst du erleben, erfahren und im Inneren mitklingen. Deshalb singe ich gern und viel im Chor. Messbarkeit ist dabei ein kleiner Teilaspekt. Der hat aber für den gesamten Klang eine erhebliche Bedeutung: z.B. wenn das Klavier verstimmt ist oder der Chor in der Tonhöhe sackt oder die Töne immer „fast“ getroffen werden oder der Rhythmus irgendwie zwischen 4/4 und 3/4 stolpert. Dann ist es gut, eine Chorleiterin zu haben, die sich nicht nur mit Gesamtklängen super auskennt, sondern auch etwas von den meßbaren Detailsversteht und die Töne und den Takt angibt. Wir hatten dazu letztes Jahr eine erfolgreiche VHS_Abendveranstaltung: Ein Pianist spiele technisch perfekt zwei klassische Stücke, dann vermittelte ein Quantenphysiker, was naturwissenschaftlich messbar geschehen war, als alle dem Spiel lauschten. Der QiGong-Lehrer behauptete dann, man höre anderes, wenn man gestimmt sei , und half dabei, Körper und Geist elastisch wach auszurichten. Dann spielte der Pianist das Gleiche noch einmal. Nach etwa fünf Minuten Schweigen kam dann die erste Rückmeldung: „Ich hatte das Gefühl, ich habe im Klavier gesessen.“
Es ist richtig, dass es sehr viele Untersuchungsergebnisse gibt, die die Gesundheitswirkung des Taijiquan ansprechen. Allerdings muss immer die Gesamtheit des Lebensstils und der gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet werden. Also: Wenn es einem Menschen gelingt, unter Verhältnissen zu leben, die einen gesunden Lebensstil begünstigen, dann wirkt sich das Taijiquan im Zusammenspiel mit gesunder Ernährung, ausreichend Erholungsphasen, sinnvollen weiteren medizinischen Präventionsmaßnahmen und in Kombination mit muskelaufbauenden Bewegungspraktiken gesundheitsfördernd aus.
So sehe ich das auch. QiGong & Taiji wirken nicht spezifisch auf einen isolierten Faktor, den man durch einen Laborwert messen könnte. Vielmehr regen QiGong & Taiji Möglichkeiten an, ungünstige Bewegungs- oder Verhaltensmuster zu lassen. Zugleich können günstigere Bewegungs- und Verhaltensweisen erlebt und körperlich erfahren werden. Die effektive Wirksamkeit von QiGong & Taiji resultiert also aus einem Lernprozess eines ganzen Organismus und seines Umfeldes.
ein tolles Format, wichtiges Thema, schöne Idee Austausch über den Tassenrand hinaus ;0)
Hoffentlich trauen sich auch Einsteiger:innen mit zu hören und ihre frischen Erfahrungen beizusteuern…etwas über das mögliche „um zu“ zu erfahren, und die vielfältige Qualität des Übens könnte Mut machen hinzuspüren, sich einzulassen, neugierig auf eigene Erfahrungen zu werden. Um das „um zu“ dann wieder weglassen zu können, weil es einfach Freude macht und die wirkt über den Moment hinaus und in alle Richtungen :0)
Gute Gespräche Euch. Schön, dass es weitere Termine gibt, damit steigt die Chance mal dabei sein zu können.
Herzlichen Dank Helmut für die ausführliche Aufarbeitung und Darstellung. Ich komme aus dem Chen Taiji und die Messbarkeit der Qualität des eigenen Könnes, hat etwas mit dem Sieg in einer körperlichen Auseinandersetzung und der eigenen Unversehrtheit dabei zu tun. Zumindest hatte ich es bisher so verstanden. Daher finde ich es sehr interessant, die medizinischen Aspekte unseres Übens zu versehen und freue mich sehr darauf weitere positive Aspekte von Euch dazu zulernen.
Lieber Armin, eine Frage öffnet ein Universum an Möglichkeiten, wie etwas sein könnte. Eine Antwort schließt. Messungen (in Studien) sind für mich Instrumente, die etwas als sicher Geglaubtes hinterfragen und neue Perspektiven eröffnen können. Publikationen, die eine Antwort (ein Vorurteil) bestätigen sollen, taugen wenig oder nichts. Sie bestätigen nur Meinungen oder Dogmen, dass das, was getan wird, auch gut sei. Davon gibt es in der Medizin eine Schwemme sinnloser Veröffentlichungen, die nur dem Marketing dienen und von Produktanbietern bezahlt werden. Mit Wissenschaft (also neugierig, skeptischem Nichtwissen) hat das nichts zu tun. Wenn wir Lernerfolge ganzer Persönlichkeiten (als Einheit von Körper-Psyche-Umfeld) vorurteilsfrei beobachten wollen, ist es nötig zu fragen, welches Ziel oder welche Sehnsucht das Lernen motiviert hat. Denn Qualität bezieht sich auf ein in der Zukunft liegendes Ergebnis. Wenn es ein „Sieg in einer körperlichen Auseinandersetzung und der eigenen Unversehrtheit“ ist, dann wäre die beste Art der Überprüfung (ob das, was getan wird, tatsächlich wirksam ist), die reale körperliche Auseinandersetzung im direkten Kampf. Da das aber zwangsläufig zu Schäden führt, hatten sich die Griechen spielerische Kämpfe (Olympia) ausgedacht, z.B. auch mit dem Taiji-Vorläufer Pankration. Heute gibt es Wettkämpfe aller Art, die letztlich messen, wer auf die Matte knallt und wer stehen bleibt. Der hier zitierte Überprüfansatz fragt nach etwas anderem: „Kann Taiji in besonderer Weise (!!) dazu beitragen, dass die Wechselwirkungen in einem komplexen System (im Menschen) harmonisch-friedfertiger ablaufen?“ Dass sanftes Yoga, Gärtnern, Pilates, Mindfulness, Schwimmen, Haigeln, Meditieren, Wandern u.v.a. der Lebensqualität dienen, ist ein Allgemeinplatz. Zu belegen, dass Taiji sich auch ähnlich positiv auswirken kann, ist folglich völlig überflüssig. Eine Frage, die mich umtreibt, wäre, was das Einmalige, Unverwechselbare ist, das zu besonders effektiven (!!) Lernerfolgen führen kann oder könnte. Sei es im Kampf, oder hinsichtlich der Gesundheit oder der Fitness oder der Erreichung von Zufriedenheit, Frieden und Lebensglück. Was ist das Wesen? Die Essenz? Das sind ähnliche Fragen, wie sie sich Einstein stellte, bevor er versuchte, die Schwerkraft besser zu verstehen. Indem er sich ans Messen machte, wurde ihm einiges klarer.